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Dr. Edeltraud Sießl

(1923 - 1996)
Kirchheimbolanden

Erste Gynäkologin in Kirchheimbolanden, Verfechterin der natürlichen Geburt

Dr. Edeltraud Sießl geb. Fischbacher, Mutter von drei Kindern, wurde am 8. April 1923 in Rosenheim in Bayern geboren. Sie besuchte die Volksschule in Riemsding am Chiemsee und erwarb die Hochschulreife. Doch bevor sie das Medizinstudium beginnen konnte, wurde sie erst zum Kriegsdienst als Straßenbahnschaffnerin eingezogen.

In ihrer Freizeit erschloss sie sich die Alpen, erkletterte den Mont Blanc, durchquerte Norwegen. Diese Erlebnisse prägten ihre Naturverbundenheit. Wie kam sie nach Kirchheimbolanden? Einfach gesagt, durch die Liebe. Sie lernte bei ihrer Arbeit den Ur-Kirchheimbolander und Arzt Dr. Lothar Sießl kennen, heiratete 1957 und zog im Jahre 1959 nach Kirchheimbolanden in die Amtstraße 1. In den unteren Räumen wurde eine gynäkologische Praxis eingerichtet und somit gab es zum ersten Mal eine Frauenarztpraxis in Kirchheimbolanden. Als im Jahre 1956 ein Kreiskrankenhaus errichtet wurde, wurden für die Gynäkologie 18 Belegbetten vorgehalten. Für Frau Dr. Edeltraud Sießl war es ein Anliegen, die Frauen nicht einfach nur zu entbinden, sondern sie sollten die Geburt als ein wunderbares Erlebnis wahrnehmen. Sie führte verschiedene Geburtsmethoden, wie zum Beispiel die Unterwassergeburt ein, und die Frauen konnten selbst bestimmen, wie sie gebären wollten und Vertrauenspersonen zur Geburt mitbringen. Das heute selbstverständliche „Rooming-In“ geht auf die Initiative von Frau Dr. Sießl zurück. Auch der Vater durfte bei der Geburt jetzt dabei sein, was früher undenkbar war, ebenso geburtsvorbereitende Kurse für Eltern. Dr. Edeltraud Sießl war auch „die Mutter der Volkstanzgruppe“, die im Jahr 1968 gegründet wurde und deren Vorsitzende sie war. Sie schneiderte annähernd 100 Trachten nach historischen Vorlagen für die Volkstanzgruppe und 30 Ratsherrentrachten für die Damen und Herren des Stadtrates.
Sie war auch Mitbegründerin des Christkindl-Marktes, der seit 1972 betrieben wird. Sie schnitzte Figuren, die die einzelnen Handwerkerstände darstellen und bemalte sie für den Maibaum, der über 40 Meter hoch ist. Sie war auch als Künstlerin tätig und verschönerte mit ihren Malereien nicht nur die Tiefgarage in Kirchheimbolanden, sondern schuf auch Skulpturen, wie den Nickel Güldenschlag, der fröhlich prostend in bunter Stadtknechtstracht auf einer Mauer sitzt und einen liegenden Löwen mit wuchtiger Mähne, der Wache auf einer Stützmauer des Wehrgang-Anbaues hält. Auf einer Wand an der Stadtmauer ist ein Kolossalgemälde der Freischaren zu sehen, in deren Mitte sich die Freiheitskämpferin Mathilde Hitzfeld befindet. Für das Krankenhaus hat sie eine Skulptur einer Gebärenden geschaffen.
Als Reminiszenz an ihre bayrische Heimat, rief sie in Kirchheimbolanden ein Bierfest, mit einem schönen Umzug und einem Bierkönig ins Leben.
Als liebevolle Mutter hat sie unzählige Puppenstuben und Kaufläden zu Weihnachten gebastelt. Ihre Kochkunst bleibt denen in Erinnerung, die eine Einladung zu ihrem Tisch hatten. Zu erwähnen ist auch ihr Kochtalent bei den „Drei Sommertagen in der kleinen Residenz“. Sie stellte ihren Hof und den Gewölbekeller für die Trachtengruppe zur Verfügung und bekochte die Besucher erst mit Salzburger Nockerln, später dann mit Kaiserschmarren.
Mit der Wiederherstellung des Schlosses ging ein großer Wunsch für Dr. Edeltraud Sießl in Erfüllung. Ihre Ideen sind bei der Eingangsgestaltung mit eingeflossen, für die Wiederaufstellung der Schlosstore liegen Entwürfe von ihr vor.
Leider  verstarb diese einzigartige  Frau viel zu  früh, am  26. Juli 1996. Am 8. April 1997  setzte  ihr  die Stadt  ein  ehrendes  Denkmal: Nach  einstimmigem  Beschluss  des  Stadtrates  wurde  die  Alleestraße in ­ „Dr.-Edeltraud-Sießl-Allee“ umbenannt. An diesem Tage wäre sie 74 Jahre alt geworden.

Quelle: “Das Leben der Königin Imagina und anderer bemerkenswerter Frauen am Fuße des Donnersberg“
von Ann-Elli Hömke, Kirchheimbolanden, herausgegeben 1998 im Frauenverlag