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Anna Wunderlich

(1888 – 1963)
Kusel

Musikerin, Kapellmeisterin und Mutter eines berühmten Sohnes

Anna Malz kam 1888 in Köstelwald im böhmischen Erzgebirge zur Welt. Böhmen wurde im 18. Jahrhundert durch seine Instrumentenbauer und seine begabten Musiker bekannt. Die Besten gingen von zu Hause weg, zogen als Wandermusiker in alle Welt, spielten in Militärkapellen und Hoforchestern, ähnlich wie hier in der Westpfalz, im Musikantenland. Anna Malz, die älteste von drei Töchtern, spielte Geige und ging mit einer Damenkapelle auf Tournee, auch dies ein Phänomen jener Zeit, in der es eine Vielzahl von Damenkapellen gab, die sich ihr Auskommen in Restaurants, Kaffeehäusern und Gartenlokalen verdienten.

"Um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert hatten es Musikerinnen schwer, eine Anstellung zu finden. Theater- oder Hoforchester engagierten keine Frauen. Dieser Tradition widerstanden gut ausgebildete Musikerinnen, in dem sie selbst Frauenensembles gründeten und auf diese Weise ihren erlernten Beruf ausüben konnten. Sie saßen in künstlerischen Salonorchestern mit klassischem Repertoire. … Zur Gründung von Frauenensembles im deutsch- sprachigen Raum trug vor allem die bürgerliche Frauenbewegung des 19. Jahrhunderts bei. Zu ihren Forderungen gehörte unter anderem eine verbesserte und gründlichere Ausbildung der Frauen, deren Lebensperspektive sich mit einem Beruf veränderte und deren Arbeit sie unabhängig von familiären Zwängen machte.", schreibt Marliese Fuhrmann in dem Artikel über Anna Wunderlich in ihrer Monographie "Anna und Andere - Frauenwege in der Pfalz".

Die Musikerinnen begaben sich wie ihre männlichen Kollegen auf die Wanderschaft, besuchten Frankreich, Südeuropa, Polen und Russland, machten sich dann auf in die Türkei und nach Palästina. Während dieser Zeit entwickelte sich Anna Malz zu einer veritablen Violinistin und gründete eine eigene Damenkapelle, die beliebt und angesehen war. Sie hatte das Talent, Reisen in ferne Länder zu organisieren, dort Engagements abzuschließen und die für das Land passenden und beim heimischen Publikum beliebten Musikstücke auszuwählen.

Anna Malz lernte auf einer solchen Tournee gegen Ende des Ersten Weltkriegs auf Zypern den jungen Militärkapellmeister Paul Edmund Wunderlich kennen und lieben. Sie heirateten 1918, Anna war 30, Paul 26 Jahre alt. Anna und Paul Wunderlich kamen zusammen mit ihrer kleinen Tochter im Jahr 1929 nach Kusel. Am 26. September 1930 kam hier in Kusel der Sohn Fritz Wunderlich zur Welt.

Während des Nazi-Regimes hatte der Musiklehrer Paul Wunderlich dann zunehmend unter Intrigen und Denunziationen zu leiden, und das in einem Maße, die den sensiblen Künstler nervlich zerrütteten und im Herbst 1935 in den Selbstmord trieben.

Anna Wunderlich, damals 47 Jahre alt, musste nun die Erziehung der beiden Kinder und den Hausbau alleine bewältigen. Sie übernahm an Stelle ihres Mannes den Musikunterricht im Progymnasium Kusel, gab vermehrt Privatstunden und spielte als Geigerin in einer Tanzkapelle bei den "Kerwen" der Umgebung auf. Anna sorgte auch dafür, dass Sohn Fritz eine Ausbildung am Akkordeon und an der Trompete erhielt. Auch das Gesangstalent ihres Sohnes förderte sie nach Kräften. Sie konnte noch den kometenhaften Aufstieg und die ersten märchenhaften Erfolge des Tenors Fritz Wunderlich miterleben.

Anna Wunderlich starb am 29. Oktober 1963 und wurde in Kusel neben ihrem Mann beigesetzt.

aus „Anna und Andere – Frauenwege in der Pfalz“