Katharina & Elisabeth Lißmann
1877 - 1959) und Elisabeth Lißmann (1880 – 1958)
Kusel
Zwei Kuseler Originale
Jahrzehntelang bewegte sich mit kurzen Schrittchen durch Kusels Straßen und Gässchen ein unzertrennliches Schwesterpaar, stets heiter, freundlich, hilfsbereit, immer zu kleinen Scherzen aufgelegt: Katchen Lißmann, geboren am 26.11.1877 in Kusel und Bettchen Lißmann, geboren am 09.04.1880 in Kusel.
In den Dachkämmerchen des Eckhauses am Bangert fristeten sie ihr recht bescheidenes Dasein. Kaffee, Brot, etwas Butter und Vierfruchtmarmelade waren oft ihre einzige Nahrung. Denn außer einer kleinen Rente der jüngeren Schwester aus dem Postdienst ihres Vaters erhielten sie – meist um die Weihnachtszeit – zwar vielseitige, aber nur bescheidene und unregelmäßige Hilfen und Spenden von Behörden, Betrieben und Privatpersonen, für die sie Botendienste übernommen hatten. Die verschiedenartigsten Aufträge erledigten sie eifrig und zuverlässig: Sie kassierten Vereinsbeiträge, für Jagdinhaber vermittelten sie den Hasen- und Rehverkauf, für die katholischen Pfarrer besorgten sie die Einkäufe. Wer an eine Kuseler Dienststelle versetzt wurde, brauchte sich nur an sie zu wenden, um sofort über Preis und Möblierung eines passenden freien Zimmers informiert zu werden. Keine gemeindliche Stelle brauchte sich darum zu kümmern, kein Wohnungsamt wusste besser Bescheid als sie.
So waren Katche und Bettche, wegen ihrer Unzertrennlichkeit scherzhaft auch „Katchebettche“ genannt, bei allen Kuseler Ämtern und den wechselnden Behördenvorständen bestens bekannt und noch nach Jahrzehnten erhielten sie humorige Grußnachrichten von einstigen Kuseler Assessoren, die mittlerweile im rechtsrheinischen Bayern Regierungsdirektor, Ministerialrat (Dr. Platz), Universitätsprofessor und Geheimrat (Dr. Laforet) geworden waren. Alle hatten aus ihrer Kuseler Dienstzeit das „Katchebettche“ in guter Erinnerung. Ihr Lachen, ihre Scherze, die Heiterkeit, die sie ausstrahlten, waren jenen gegenwärtig geblieben.
Im Gespräch war Katche meist die Sprecherin, während das kleinere Bettche, hinter dicken Brillengläsern blinzelnd, witzig glossierte und korrigierte. Bei besonderem Anlass beglückwünschten sie die Honoratioren mit selbstgedrechselten Reimen.
Im hohen Alter konnten sich die beiden nicht mehr vorstehen und so war ihre Unterbringung im St. Paulus-Stift in Kirchmohr zur harten Notwendigkeit geworden. Dort verstarb Bettchen am 05.12.1958. Katchen geriet nun völlig durcheinander, in der Vereinsamung verweigerte sie schließlich die Nahrungsaufnahme und starb am 26.01.1959 im 82. Lebensjahr. In einem mit einem Holzkreuz gekennzeichneten Waldgrab des Kuseler Friedhofs (III / I,4 u. 5) fanden sie – beide vereint, wie sie gelebt – ihre letzte Ruhestätte.
Es waren zwei unvergessliche Kuseler Originale, die durch ihren einmaligen farbigen Lebensstil den kleinstädtischen Alltag auflockerten und dabei zeigten, wie man auch in der Not souveräne Heiterkeit bewahren kann.
Quelle: Westrichkalender 1974