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Philippine Scheu

(1887 – 1978)
Kerzweilerhof bei Kerzenheim

Ledige Familienfrau

Fräulein Scheu wurde am 29.4.1887 als Tochter des Landwirtes Georg Scheu und dessen Ehefrau Sophia, geb. Kirch, auf dem Kerzweilerhof bei Kerzenheim geboren.
Philippine hatte 8 Geschwister, 2 ihrer Brüder sind bereits im frühen Kindesalter verstorben.

Sie besuchte die Dorfschule im nahe liegenden Rosenthal. Nach ihrem späteren Berufsleben und ihren Steckenpferden zu urteilen, gehörten Handarbeiten und Deutsch vermutlich zu ihren Lieblingsfächern.
Nach der Schulzeit erlernte sie das Nähen bei einer Schneiderin in Kerzenheim.

Die Jahre danach ging sie in Stellung zu zwei wohlhabenden Familien in Heidelberg und später in Neustadt an der Weinstraße.
Als junge Frau lernte sie Karl Wetzler aus Neuhemsbach kennen und lieben.

Mit ihm verlobte sie sich, doch Karl verstirbt bereits im Jahr 1911 an einer heimtückischen Krankheit. Philippine ist nach diesem Schicksalsschlag ledig geblieben. Bis zu ihrem Tod trug sie ein Medaillon mit einem Bild von Karl.
Zu dieser Zeit war es üblich, dass ledige Töchter nicht unbedingt selbstständig für sich entscheiden konnten. In ihrem Falle beschloss der Familienrat, nachdem der Schwiegervater ihres Bruders Georg verstorben war, dass Philippine der Witwe Leuthner in Homburg/Saar unter die Arme greifen müsse. Die Familie hatte ein Polstergeschäft, in dem Philippine sich neben der Hausarbeit auch im Verkauf nützlich machte. Erst als Frau Leutners Enkel Otto ins Geschäft eintrat, konnte Philippine „entlassen“ werden. Nach der Zeit im Homburg war Not am Mann (Frau) in Morschheim. Diesmal beschloss die Familie, sie müsse ihren Onkel in Morschheim unterstützen, denn dessen Ehefrau (ihre leibliche Tante) und deren Sohn waren verstorben. Man schrieb ungefähr das Jahr 1935. Somit zog Philippine von Homburg nach Morschheim und führte ihrem Onkel den Haushalt. Sie tat, was von ihr verlangt wurde.
Nach dem Tod ihres Onkels erbte sie dessen Haus und verdiente sich fortan ihren Lebensunterhalt mit Näh- und Flickarbeiten bei den ortsansässigen Bauernfamilien und auch bei der Verwandtschaft in der näheren Umgebung.
Im Sommer, wenn in der Landwirtschaft keine Zeit für einen Näh-Gast war, verbrachte Fräulein Scheu viel Zeit in ihrem Nutzgarten außerhalb der Ortschaft. Mit einem Handwägelchen fuhr sie im Herbst die Ernte ein.
Fräulein Scheu war sehr sparsam. So hat sie zum Beispiel jeweils nur ein halbes Ei gegessen. Sie buk an einem Tag Pfannkuchen mit einem halben gequirlten Ei, die andere Hälfte verwendete sie am nächsten Tag. Täglich holte sie für 5 Pfennige Milch bei einem Bauern in der Nachbarschaft.
Neben ihrem Talent für die Nadelarbeit hatte sie zwei weitere Passionen - ihre Liebe zum geschriebenen Wort und ihr Erzähltalent.
Wenn wir Kinder bei den Näheinsätzen brav waren, bekamen wir Märchen erzählt. Sie konnte wunderbar und anschaulich erzählen, natürlich ganz ohne Vorlage. Davon konnten wir Kinder nicht genug bekommen.

Ein Gedicht der poetisch veranlagten Philippine:

Wer im April geboren ist,
den hat der Frühling wach geküßt,
der hat den jungen Lenz im Blut
und weiß nicht immer was er tut.
Der Frühling ist veränderlich,
drum bin`s auch leider Gottes ich.
Ob warm, ob kalt, ob Schnee, ob Wind,
bin halt ein Frühlingskind!

Obwohl sie ledig geblieben war, war sie doch ein Familienmensch. Sie
 erzählte viel von ihrer Familie – von Brüdern, Schwestern, Neffen und Nichten und deren Kindern und machte regelmäßig Verwandtenbesuche. Im Alter von 91 Jahren ist sie im Hause ihrer Nichte infolge einer Grippe verstorben.
Begraben wurde sie im Familiengrab auf dem Friedhof Rosenthalerhof.
Das Leben von Fräulein Scheu war auch für die damalige Zeit eher außergewöhnlich und besonders.

Es war geprägt von Gehorsam, aber auch von Lebensmut, Courage und Fleiß.

Philippine hat zwar zum Teil ein fremdbestimmtes Leben geführt, doch ist sie sich immer treu geblieben, sogar eine persönliche Entfaltung war möglich.
Schon in jungen Jahren war ihr ein großes Schicksal widerfahren – der Tod ihres Verlobten, dem sie bis zu ihrem Tode treu geblieben war.
Sie, als lediges Familienmitglied, hatte der Familie zu dienen. Das war für sie selbst- verständlich.

Quelle: „Originelle Persönlichkeit“ von Astrid Neumann im Morschheimer Geschichtsbuch